Sind Salsa und Tango tot? Le roi est mort, vive le roi!

von: | aktualisiert am: 20.01.2010

Der König ist tot, es lebe der König“ – oder: „Die Revolution frisst ihre Kinder“ – oft im Übrigen auch die Väter (von Salsa und Tango)…

Nein, wir verlassen nicht unser gewohntes Terrain. Anlass für die beiden Zitate sind Diskussionen darüber, der (oder die) Salsa wäre tot… Im Grunde können ähnlich Tendenzen, die zu dieser Aussage führen, auch beim Tango beobachtet werden. Und die einleitenden Zitate geben schon die Antwort.

Ursache für solcherlei Diskussionen sind Weiterentwicklungen oder -aktuell- eben auch Stagnationen innerhalb der Szene. Auch wenn hierzulande die Tänze Salsa und Tango einen ungebremsten Aufschwung erleben, handelt es sich bei dieser Bewegung doch mehr um das Aufleben der Tänze, sprich der Freizeitbeschäftigung. Das hat mit der Musik an sich jedoch nur mittelbar zu tun, selbst wenn hiervon immer auch Impulse auf den Ursprung, die Musik, ausgehen. Nur braucht dies eben seine Zeit und wirkt nicht sofort – schon gar nicht überall und umfassend.

Die Musik Salsa, auch der Tango, steckt seit vielen Jahren gefangen in ihren Wurzeln. Was wir hier als erfrischend und neu erleben, ist es natürlich nicht. Es ist fremd für uns und deshalb nur neu (für uns): Da sind:

  • die ungewohnten Rhythmen, die uns erlauben und uns dazu auffordern, uns in sonst ungewohnter Weise zu bewegen,
  • die Leidenschaft, die wir uns sonst nur selten im Alltag erlauben
  • die Instrumente, die bei uns Assoziationen von Sonne und urlaubstypischer Leichtigkeit hervorrufen
  • das fröhliche und scheinbar ungezwungene Miteinander der Musiker und Instrumente, der Tänzer und Tänzerinnen

In Wirklichkeit ist das alles doch schon ziemlich alt. Seit Fania – das legendäre Salsa-Label a la Motown (bei Soul und R&B) in den 60er und 70er Jahren Salsa eine Art „Goldenes Zeitalter“ bescherte, ist nicht viel Neues passiert. Und das ist es, was Fachleute diskutieren lässt, Salsa wäre tot. Beim Tango sind die Fakten im Prinzip noch dramatischer, denn da kann man nach der Nachkriegszeit eigentlich nur Astor Piazzolla zitieren – sieht man von einigen Elektro-Versuchen (z.B. Gotan Project) ab, die aber eigentlich alle Musikrichtungen über sich ergehen lassen mussten und die sich lediglich bei Techno, Trance & Co. mit letztlich neuen Strömungen wirklich etabliert haben.

Nur langsam keimen neue Triebe. Gloria Estefan hatte in den 80er Jahren große Erfolge. Shakira driftet zwar oft in die Pop-Richtung, zelebriert aber immer wieder auch ihre kolumbianischen Wurzeln und würzt diese mit modernen Pop-Elementen. Die Entwicklung von Reggeaton hätte Potential gehabt, bleibt aber im Grunde die spanische Rap-Variante und damit mehr eine Randerscheinung für jugendliches Publikum. Natürlich gibt es immer wieder auch neue, tanzbare Salsa-Variationen, doch bleiben die in der Minderheit. Drei prominente Beispiele seien genannt:

Aventura mischt den Markt mit Bachatas auf und ist damit nicht nur beim Latino-Publikum erfolgreich (siehe auch Artikel über das aktuell erfolgreiche Album The Last). Mit Obsesion waren Aventura 2004 Nr. 1 in den deutschen Charts, in Östereich und der Schweiz, in Frankreich und Italien, nachdem der Titel in den beiden Jahren davor schon der meistgespielte Titel in der Karibik war. Was Marc Anthony 2006 mit El Cantante ablieferte, war zwar nicht neu – aber modern interpretiert und angepasst an heutige Hör- und Tanzgewohnheiten. Und auch Oscar D’Leon wird nicht müde, neue Alben vorzulegen,  die sich modern anhören und gut tanzbar sind.

Zwei weitere Beispiele, die wir hier im Magazin schon aufgegriffen hatten:

  • Alex Wilson – Salsa-Musiker, Bandleader, Komponist, Arrangeur – macht mehr und mehr eine sehr modern beeinflusste Salsa-Musik, sauber komponiert und arrangiert.
  • Oder bassa – die Band aus Berlin – die den Tango doch ganz ungezwungen und neuartig interpretiert.

Nur – und damit möchten wir zunächst den Kreis schließen: Man muss akzeptieren (und wer mag, auch verstehen), dass die Kinder eben nicht ihre Eltern sind. Oder anders ausgedrückt: Auch wenn der König tot ist, lebt der neue König bereits und hat die Regentschaft übernommen. Diese kann nicht die Alte sein, sondern ist neu und anders, hat natürlich ihre Wurzeln, braucht aber auch Zeit sich zu profilieren und „erwachsen“ zu werden. Solcherlei Umbrüche sind zwangsläufig mit Veränderungen verbunden. Und ob der neue König auch wirklich der bessere ist, muss sich erst noch beweisen.

Wenn man nur beginnt, sich mit dem Thema zu beschäftigen, merkt man schnell, dass es doch ziemlich komplex ist. Zu vielfältig sind die Hintergründe und Auswirkungen. Deshalb wollen wir diesen Artikel hier auch nur als Auftakt einer Diskussion verstehen, dabei mitzumachen wir Euch auch auffordern:

Was meint Ihr dazu? Wir sind gespannt!

Ergänzende Artikel:

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