Ritmovida Orchestra aus Mainz im Interview mit Salsango
von: Sven Goldmann | aktualisiert am: 26.10.2022Mainz. Das Ritmovida Orchestra ist seit dem Frühjahr als „Kind“ der Tanzschule Ritmovida in Mainz live auf der Bühne zu sehen. Unser Magazin Salsango begleitet von Beginn an vor allem einheimische Künstler auf Ihrem Weg, wir weisen auf Veranstaltungen mit ihnen hin, beobachten ihr künstlerisches Wirken und unterstützen sie, wo immer es sich anbietet und möglich ist.
So waren sind wir auch beim Ritmovida Orchestra gern von Anfang an mit dabei und nutzten einen der ersten Live-Auftritte des Orchesters gleich zu einem Interview mit deren künstlerischem Leiter Raul Miguel Wurche:
Salsango: Ritmovida ist ja eigentlich eine Tanzschule und es nicht unbedingt üblich, dass sich eine Tanzschule auch eine eigene Live-Band gönnt. Wie kam es dazu?
Raul Miguel (Ritmovida): Das Orchester haben wir meinem besten Freund und Inhaber der Tanzschule Ritmovida, Ali Mirzazadeh, zu verdanken. Er ist der Kopf der ganzen Unternehmung und er hatte schon seit längerem die Idee verfolgt, enger mit einigen Perkussionisten zusammen zu arbeiten.
Ursprünglich wollte er in seiner Tanzschule spezielle Rhythmuskurse anbieten um seinen Schülern die klassischen lateinamerikanischen Rhythmen näher zu bringen und das Verständnis für die einzelnen Musikinstrumente bei der Salsa zu wecken. Also sprach er zwei Perkussionisten an, die aktuell auch in der Band mitspielen.
Ich selbst bin Tanzlehrer bei Ritmovida und als Ali erfuhr, dass ich mal Gitarre gespielt hatte, hat er mich ermuntert, doch wieder anzufangen und im Orchester mitzuspielen.
So waren wir im Oktober 2010 dann zu viert und nach einigen weiteren Kontakten zu verschiedenen Musikern wurde Ende Oktober 2011 aus dem losen orientierungslosen Gebilde ein 11 Musiker starkes Salsa-Orchester.
Salsango: Ihr wollt mit Eurer Salsa-Musik das Feeling der 60er und 70er Jahre wieder aufleben lassen, habt aber eher eine untypische, ja gerade zu moderne, Besetzung – Stichworte: die rockige E-Gitarre mit gelegentlichen Funkriffs, die Geige oder die Querflöte – wie passt das zusammen und wie kam es dazu?
Raul Miguel (Ritmovida): Oh, dass ist wahrhaft eine sehr interessante Frage. Diesen Umstand verdanken wir ebenfalls dem Ali, der ein leidenschaftlicher Liebhaber lateinamerikanischer Musik ist. Er spielte mir aus seiner „Schatzkiste“ die Salsa-Musik der 60er und 70er Jahre vor – diese wunderbaren Stücke die heutzutage niemand mehr so richtig kennt.
Ich war ebenso begeistert und begriff, dass damals wirklich Pionierarbeit geleistet wurde. Das wollte ich auch mit der neuen Band umsetzen.
Erst hatte ich keine Vorstellung davon, wie wir das schaffen sollen. Immerhin hatten wir keinen Trompetenspieler. Dafür hatten wir mit mir einen Gitarrenspieler. Nur, in der Salsa gibt es eigentlich keine Gitarre, wie wir sie heute kennen. Also haben wir uns zusammengesetzt und uns darüber Gedanken gemacht, wie wir diese Musik trotzdem spielen können, ohne den Spirit der damaligen Zeit zu verlieren.
Salsango: Interessant, doch wie kamt ihr auf die Idee eine Geige und eine Querflöte ins Orchester zu integrieren – sind ja keine typischen Instrumente der Salsa-Musik?
Raul Miguel (Ritmovida): Vieles war einfach Zufall. Beispiel Geige: Wir hatten gerade eine Probe und plötzlich stand Jane unangemeldet in der Tür und fragte uns, ob sie mitspielen könne. Sie spiele Geige und ein wenig Klavier. Heute wissen wir, dass war eine große Untertreibung. Sie spielt hervorragend Klavier und natürlich auch die Geige. Eine solch tolle Musikerin mit so viel Elan und Dynamik konnten wir unmöglich weiter ziehen lassen und haben uns sofort überlegt, wie wir diese Instrumente einbauen können.
Ähnlich war es auch bei Lorenzo, der die Querflöte spielt. So kam es, dass wir verschiedene Musikstile so eingebaut haben, dass sich jeder auch mal präsentieren kann. Wir haben z.B. einige wunderschöne kubanische Salsastücke neu arrangiert. Da kommen besonders die Geige und die Querflöte voll zur Geltung. Die Gitarre hat dann wieder eine ähnliche Power wie das Saxophon, da kann man sich wunderbar ergänzen.
Salsango: Ihr habt jetzt 11 Musiker zusammen. Ist das Ende erreicht oder gibt es Pläne für eine „richtige“ Big Band?
Raul Miguel (Ritmovida): Wir sind eine bunt gemischte Gruppe unterschiedlichster Nationalitäten und Mentalitäten. Das sollte man nicht unterschätzen! So haben wir außer den schon genannten Musikern noch eine feurige, sehr leidenschaftliche kolumbianische Sängerin, einen sensiblen Saxophonspieler oder einen dynamischen palästinensisch-rumänischen Timbalesspieler und so weiter.
Wir müssen uns jetzt erstmal konsolidieren und wollen in absehbarer Zeit nicht weiter wachsen. Es gibt zwar schon Ideen, den Bereich der Background-Vocals auszubauen und uns noch ein, zwei Sängerinnen dazu zu holen, doch wir müssen erstmal schauen, wie wir das umsetzen können.
Salsango: Sicher wird es nicht ganz einfach sein, Veranstalter zu finden, die so eine große Band bezahlen wollen oder können. Wäre es nicht besser, man reduziert die Anzahl der Musiker, um mehr Gigs spielen zu können?
Raul Miguel (Ritmovida): Da sind wir flexibel und keinesfalls nur auf die 11 Musiker fixiert. Wir sind selbstverständlich in der Lage, auch in einer kleineren Besetzung gute Musik zu spielen. Heute zum Beispiel haben wir auch nicht in der vollen Besetzung gespielt, sondern nur mit neun Musikern. Und letzte Woche haben wir mit 5 Musikern des Orchesters einen Bossa Nova – Gig gespielt. Es muss also nicht immer die große Besetzung sein.
Salsango: Wie wird das Repertoire des Orchesters zukünftig aussehen – wo liegen die Prioritäten?
Raul Miguel (Ritmovida): Wir haben derzeit keine konkreten Pläne, aber viele Ideen. Wir denken z.B. darüber nach, Live-Musik auch zu Showtanz zu spielen, wollen eigene Stücke schreiben und unsere Musik auch aufnehmen. Das wird allerdings noch einige Zeit brauchen. Wir müssen jetzt erstmal viel an uns selber arbeiten, viel lernen und uns weiterentwickeln.
Salsango: Abschließend noch eine Frage an Euch als Salsa-Experten: Was wird sich in der nächsten Zeit als Trend im Zusammenhang mit der Salsa – Musik, dem Tanz oder der Salsa-Szene entwickeln und warum?
Raul Miguel (Ritmovida): Ich hoffe, dass wir bald wieder mehr große Salsa-Orchester haben werden und die Leute wieder mehr Lust, auf Live-Musik zu tanzen. Das ist leider immer mehr verschwunden. Vielleicht können wir mit unserem Engagement diese Entwicklung positiv beeinflussen.
Ich glaube, die Salsa wird sich weiter und wieder neu mit anderen Musikrichtungen mischen, mit Hip Hop zum Beispiel. Doch ich denke, dass wird nur ein zusätzliches Element sein.
Salsango: Wir wünschen wir Euch noch viel Erfolg mit dem Ritmovida-Orchester und bedanken uns für das Interview.
Das Interview führte Sven Goldmann für Salsango. Der Text hier ist ein Extrakt aus dem Original-Interview, ohne inhaltliche Änderungen am Gesagten. Das Interview liegt als Tonband-Protokoll vor.
Mehr Informationen zur Tanzschule, der Ritmovida Dance Company und zum Ritmovida Orchestra findet Ihr auf der Webseite von Ritmovida. Dort könnt Ihr auch Tickets buchen.
Vielen Dank an Raul Miguel Wurche von Ritmovida für die Unterstützung!
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