offener Brief an das Stadtmagazin tip
von: Karsten Heimberger | aktualisiert am: 9.03.2010Liebe tip-Redaktion!
Seit vielen Jahren gehöre ich zu den treuen Lesern Eures Stadtmagazins. Irgendwie ist es nicht nur zum alltäglichen Begleiter und im wahrsten Sinne des Wortes Tipp-Geber durch Dschungel Berliner Kultur und Kunst geworden, sondern hat fast Buddy-Status. Der gute Freund, der immer da ist und etwas Interessantes zu erzählen hat, der manche Beziehung hat wachsen, sie mit Ideen bereichert und eine sogar gestiftet hat, Beziehungen aber auch hat vergehen sehen und diese überstanden. Irgendwie lieb gewonnen habe ich es über die Jahre, manche Entwicklung freudig beobachtet, manche erstaunt verfolgt oder manchmal auch bedauernd. So, wie das eben ist mit einem guten Freund, mit Hochs und Tiefs, mal intensiver, mal weniger, aber das Wesen niemals in Frage stellend.
Freudig und anerkennend habe ich auch die wachsende Themenvielfalt zur Kenntnis genommen, gerade in den letzten Monaten (oder sind es Jahre?). Jetzt habt Ihr Euch noch an ein Thema gewagt, das noch nie Eures war *(Ausnahme siehe unten) – und leider merkt man das: Ein Special über „Health, Beauty und Wellness“. Positiv einerseits, wieder eine neue Facette. Etwas ärgerlich, weil dabei auch eines der Themen „tendeziös“ gestreift wird, dass uns seit einiger Zeit besonders am Herzen liegt: Das Tanzen. Schön ist, Tanzen als Teil des Bereiches Gesundheit, Schönheit und Entspannung zu betrachten. Nicht so schön ist eine gewisse Unbedarftheit und (zu) wenig sorgfältige Recherche zum Thema. Und das ist der Grund für diesen Brief, verbunden mit dem Angebot, Euch bei diesem speziellen Thema künftig vielleicht zur Seite stehen zu dürfen.
Da ist Euch das Pole-Dancing sogar eine Anmerkung auf dem Titel wert (warum nur? :-)…). Im Special dann ein kleiner und zu kurz geratener Artikel, der Pole-Dancing von einer sehr eingeschränkten Sicht aus betrachtet. Gibt es doch inzwischen eine Bewegung, die aus „Pole-Dancing“ „Pole-Fitness“ versucht zu machen, die genau aus dieser Ecke heraus will, in die Ihr das Pole-Dancing stellt. Über Pole-Fitness allerdings kein Wort.
Da wird von einem Selbstversuch mit einem Tanzkurs berichtet – offensichtlich von einem Autor (Martin Daßinnies), der dem Tanzen bisher so zugetan war, wie der Reiner Calmund dem Felsenklettern – sich aber im Gegensatz zu diesem wundert, dass die ersten Stunden an der Kletterwand (im Tanzsaal) bisherige „Versäumnisse“ offenbar werden lassen und nicht eben zu den Sternstunden seines bisherigen Lebens gehören. Noch dazu wundert sich der Probant, dass auch die zeitgleich übenen Leidensgenossen nicht elfengleich übers Parkett schweben. Das war ja wohl ein erwartbares Ergebnis. Nur leider belässt es der Autor dabei, statt sich dem Thema tatsächlich zu widmen, zieht dann auch noch Schlüsse und schreibt diese ins Heft. Nicht eben positiv und nicht gerade motivierend. Irgendwie so, als wenn das jura-studierende Erstsemester nach 3 Vorlesungen das Studium hinwerfen würde, weil es das BGB weder in Umfang noch Inhalt beherrscht, es den Kommolitonen auch nicht anders geht und anschließend sich eine Redaktion findet, die einen Erfahrungsbericht vom Erstsemester veröffentlicht.
Beide Artikel wären mir diesen Brief nicht wert gewesen, würde nicht ein dritter Artikel in besagtem Special den Tenor zur Tendenz werden lassen. Dort wird zwar ganz kurz angedeutet positiv über die „Tanz-Hauptstadt“ Berlin berichtet. Als Beispiel jedoch ausgerechnet der Charlston genommen und beschrieben, dass dieser nichts für Ungeübte sei und ein Papier aus dem Jahre 1925 zitiert, in dem eben jener beschrieben wird. Kurz danach ist aber auch schon Schluss (mit dem Artikel), so dass die zwar zutreffende und interessante, aber für den Laien verwirrende Beschreibung der Bewegungen beim Charlston eine Dominanz erhält (7 Zeilen von insgesamt 25), die der Sache nicht unbedingt gut tut.
Also: Jeder Artikel kann für sich betrachtet kritisiert werden, Zweifel wie Erfahrungsbericht seien jedoch ausdrücklich erlaubt. Schade ist, dass das Tanzen in der Tendenz dabei schlecht wegkommt und den tatsächlichen Entwicklungen in dieser Stadt, wie überall im ganzen Land, nicht Rechnung getragen wird, von einer Motivation des geneigten Lesers, sich doch einmal in diesem oder jenem zu probieren, ganz abgesehen. Schade für diese wunderschöne und gewinnbringende Leidenschaft, dem Tanzen.
Wenn Ihr wieder einmal Anregungen braucht, Euch zum Thema tanzen äußern mögt, was wir uns häufiger wünschen, fragt doch mal bei uns an – oder schaut in unser Magazin. Wir helfen gern, andere vom Tanzen zu begeistern!
Euer treuer Leser
Karsten Heimberger
* zur Ehrenrettung und im Sinne einer wahrheitsgemäßen Darstellung gehört es auch zu erwähnen, dass der tip regelmäßig und außerst umfänglich in seinen Tagestipps Tanzveranstaltungen jeder Art veröffentlicht. Mehr dazu und überhaupt zur Kultur in Berlin unter www.tip-berlin.de .