Let’s dance am 19.5.2017: Falsche ausgeschieden, Äpfel und Birnen
von: Karsten Heimberger | aktualisiert am: 25.05.2017Bei Let’s dance am 19. Mai 2017 ist wieder einmal das falsche Tanzpaar ausgeschieden. Das hat weniger mit den Tänzen bei Let’s dance am 19.5.2017 zu tun, mehr mit dem von Anfang an gründlich verwursteten Wertungs-„System“ der Jury. Das drückt sich in Punkten aus, aber auch in der verbalen Bewertung der Let’s dance-Jury. Schon nach der 4. Sendung von Let‘ s dance 2017 schrieb ich, die Jury sei am Ende (ihrer Möglichkeiten) angelangt. In Anlehnung an einen alten Wort-Witz ist sie nun (mindestens) einen Schritt weiter.
Das Blöde daran ist, dass einem dadurch der Spaß an der Sendung immer wieder verdorben wird. Allerdings hat auch die Auswahl der Tänze und der Musiken bei Let’s dance 2017 etwas damit zu tun. Da werden viel zu oft Äpfel mit Birnen verglichen. Die Jury findet immer seltener einen einheitlichen Nenner, auf dessen Basis die Tanzpaare miteinander verglichen und Bewertungen abgegeben werden. Und durch die viel zu früh abgegebenen Höchstnoten sind Jorge Gonzales, Motsi Mabuse und Joachim Llambi nicht mehr in der Lage, eine Differenzierung auszudrücken – bei den besten Paaren sowieso, aber auch bei den nicht ganz so guten Tanzpaaren wirkt sich das längst aus.
Einen neuen Höhepunkt hat das Dilemma gestern bei Let’s dance am 19.5.2017 erreicht, als Motsi Mabuse das offenbare Unverständnis einiger TV-Zuschauer für ihre anhaltende Euphorie damit erklärte, dass am Fernseh-Gerät die Energie und die Atmosphäre der Tänze vielleicht nicht so ankämen, wie direkt am Parkett. Also, da würde ich Erstens zustimmen, jedoch Zweitens anmerken, dass wohl irgend etwas schief läuft. Let’s dance ist eine TV-Show! Kein Konzert oder Box-Kampf, die (auch) im Fernsehen übertragen werden. Maßgeblich muss also sein, was am TV-Gerät ankommt. Zugleich will ich das entschuldigen, denn in diesem Dilemma befindet sich der Tanzsport seit Jahren: Obwohl deutsche Tanzpaare so viele internationale Preise, Titel und Medaillen einheimsen, wie kaum ein anderer Sport, findet der Tanzsport im Fernsehen quasi nicht statt – von einzelnen Ausnahmen abgesehen.
Die Beschreibung, was bei Let’s dance anders sein könnte oder müsste, ist allerdings sehr schwierig, denn davon abgesehen waren die Einzel-Tänze und auch die Tanz-Duelle gestern bei Let’s dance am 19. Mai 2017 sehr interessant, teils tatsächlich sehr gut und wie ich finde auch aufschlussreich.
Nehmen wir das Flamenco-Duell Gil Ofarim – Ekaterina Leonova gegen Vanessa Mai – Christian Polanc. Die Jury wollte sich nicht die Mühe machen, zu differenzieren und vergab 60 Punkte. War es so gut? War es so einheitlich? Ich finde nicht!
Zuerst werden ein Promi-Kandidat und eine Promi-Kandidatin miteinander verglichen – schon so schwierig genug, noch mehr beim Flamenco, bei dem Frauen und Männer doch eigentlich unterschiedlich tanzen? Dann war die Choreo sehr stark durch die Art von Christian Polanc geprägt, zu tanzen. Da musste Gil Ofarim zwangläufig abfallen, was auch deutlich zu sehen war. Andererseits hat das Paar Gil Ofarim – Ekaterina Leonova auf mich einen sehr viel flamenco-typischeren Eindruck gemacht, was zuerst an den viel feineren Differenzierungen lag, die Ekaterina (logischerweise) ausdrücken kann, gegenüber Vanessa, andererseits aber auch dadurch, dass Gil den großen Gesten seines Profi-Kollegen nicht ganz folgen konnte und dadurch nicht so sehr in die Paso-Richtung driftete. Vanessa Mai ihrerseits hat nach meinem Geschmack viel zu männlich Flamenco getanzt, was auch an der Choreografie lag, die meiner Meinung nach zu sehr an den Paso doble angelehnt war. Das Feine, Stolze, Verletzte, gefühlvoll Elegante, Bodenzentrierte des weiblichen Flamenco-Tanzens ging in zu vielen, ausladenden Bewegungen fast unter.
Besser wäre also gewesen, es hätte Vanessa Mai gegen Angelina Kirsch tanzen müssen – und Gil Ofarim gegen Giovanni Zarrella. Auch volle Punkte von allen Jury-Mitgliedern wären unter kritischeren Blicken nicht unbedingt vergeben worden. Nach der Vorgeschichte bei Lets dance 2017 allerdings ist das kaum noch möglich, einen oder zwei Schritte zurück zu gehen.
Faisal Kawusi – Oana Nechiti und Heinrich Popow – Kathrin Menzinger hatten sich bei Let’s dance am 19.5.2017 ein großartiges Streetdance-Battle geliefert! Einen Unterschied zwischen beiden Promi-Kandidaten könnte ich in Punkten nicht ausdrücken. Ich weiß auch nicht, was die beiden hätten besser machen können. Also, nicht dass man das nicht besser tanzen kann… Aber der Unterhaltungsfaktor der ganzen Gruppe war grandios! Die Unterschiede und Schwierigkeiten, die Faisal und Heinrich bekanntermaßen haben, wurden wunderbar durch die Choreografie „weg getanzt“. Oana und Kathrin haben sich nicht nur angenehm zurück gehalten und für ein sehr ansehnliches, begleitendes Tanzen gesorgt, sondern beiden Männer auch genug Platz eingeräumt, ihre Stärken auszutanzen und sich in der Gesamtschau gut zu ergänzen.
Bei diesem Tanz hat man auch gesehen, dass beide Kandidaten ganz andere Massstäbe brauchen, um bewertet zu werden – im Vergleich zu den anderen Tanzpaaren -, was in einer solchen TV-Show auch möglich sein muss. Das wurde schon beim Freestyle von Faisal Kawusi – Oana Nechiti deutlich. Diese Bollywood-Nummer hat Faisal wirklich gut und vor allem sehr authentisch vertanzt. Ich hab’s ihm geglaubt! Sonst kommen mir Bollywood-Tänze oft gekünstelt vor, hier nicht. Mit Paartanz hatte das freilich nicht viel zu tun. Muss es auch nicht, wird aber wichtig, wenn wir uns –
den Einzeltanz von Heinrich Popow – Kathrin Menzinger anschauen. Auch dieses Paar hat bei Let’s dance am 19.5.2017 das getanzt, was sie gut können – sehr sportlich, sehr athletisch. Warum also sollten sie mehr Tanz im Paar einbauen, wo wir doch alle wissen, dass es sehr schwierig ist für Heinrich, dann gut auszusehen? Ich hätte auch gern mehr Tanzen gesehen, aber wie will man ihnen das in einem Freestyle vorwerfen, zumal es beim „Magic Moment“ um das Vertanzen eines sportlichen Höhepunktes ging? Die Jury tut genau das sehr wortreich. Warum bei diesem Paar?
Bei Angelina Kirsch – Massimo Sinato wurde ausdrücklich gelobt, dass dieses Tanzpaar sich beim Freestyle auf die Stärken von Angelina Kirsch besonnen hat – und im Übrigen auf sich wiederholende Choreografie-Teile. Auch bei Vanessa Mai – Christian Polanc wurde gelobt, dass wir u.a. die gleiche Sprungfigur nun schon zum 3. Mal gesehen haben – mit leichten, aber im Grunde zu vernachlässigenden Variationen. Auch andere Figuren tauchen da immer wieder auf.
Das an sich will ich gar nicht kritisieren, habe sogar ein gewisses Verständnis dafür, dass die Tanzpaare (bzw. die Tanzprofis) immer wieder auf Elemente zurück greifen, von denen sie wissen, dass sie gut funktionieren. Nur darf ich dann das nicht hier loben und da kritisieren, nur weil es einmal mehr nach Standard und Latein aussieht und einmal aus bekannten Gründen eher weniger.
Update: Giovanni Zarrella – Marta Arndt sind bei Let’s dance 2017 doch weiter dabei, weil sich Heinrich Popow verletzt hat und Heinrich Popow – Kathrin Menzinger deshalb nicht weiter tanzen können. Siehe auch Artikel Let’s dance 2017: Heinrich Popow verletzt, Giovanni Zarrella wieder da.
Giovanni Zarrella – Martha Arndt haben dafür bezahlt, dass sie es nicht so gemacht haben – und sind ausgeschieden. Dabei waren die Michael-Jackson-Moves von Giovanni Zarrella außergewöhnlich gut! Zwischendurch war es ein wenig statisch, zugegeben – da hat Marta es sich zu leicht gemacht. Dafür haben Giovanni Zarrella – Marta Arndt beim Charleston Angelina Kirsch – Massimo Sinato regelrecht abgekocht. Mir hat Giovanni Zarrella hier sogar besser gefallen, als Massimo Sinato, der den Hals eingezogen hat, wie eine Schildkröte bei Gefahr. Angelina Kirsch dagegen konnte mit dem Charleston nicht so richtig was anfangen. Nicht ihr Tanz, wie andere schon, bei denen sie sich im „Freien“ allein bewegen muss. Im Charleston-Solo wurde sie von der Choreo jedoch auch unter Wert verkauft. Das kann sie bestimmt besser…
So fand ich insgesamt Giovanni Zarrella – Marta Arndt zu niedrig bewertet gestern. Es ist und bleibt allerdings müßig, zu spekulieren, wer denn bei Let’s dance am 19. Mai 2017 ausgeschieden wäre, wenn…
Am besten gefallen hat mir gestern der Freestyle von Gil Ofarim – Ekaterina Leonova. Ich mag gar nicht anfangen, in irgendeiner Weise an der Technik herum zu kritteln. Warum dieser Tanz keine 30 Punkte bekam, habe ich nicht verstanden. Schon die Dämonen-Idee war großartig, die Choreografie hat die Geschichte so anschaulich und mitreißend erzählt, dass ich begeistert war. Bei so einem Unterhaltungswert ist mir die Technik fast egal. Ich kann mich auch kaum daran erinnern, denn ich war bis zum Schluss gefesselt!
Bei Vanessa Mai – Christian Polanc habe ich im Freestyle weder die Aggressivität, noch die riesig großen Amplituden in der Bewegung verstanden. Was das mit der Geschichte zu tun hatte, weiß ich nicht. Man hätte denken können, ihr Vater hätte sie gehindert, ihren Traum zu leben – dabei hat er sie doch unterstützt! Wäre es nicht ganz empfindsam, sensibel, fein, klein, selbstzweifelnd gegangen? Wegen mir mit einem großen Ausbruch, ausgedrückt durch diese Sprungfigur, wenn sie schon wieder drin sein muss? Das war jetzt der wievielte Tanz der beiden mit einem solchen Charakter?
Gil Ofarim – Ekaterina Leonova bleiben meine Favoriten auf den Sieg bei Let’s dance 2017, auch wenn ich überzeugt davon bin, dass Vanessa Mai – Christian Polanc technisch exakter und geschliffener tanzen und bei der Jury im Finale sogar vorn liegen werden. Ich gönne ausdrücklich beiden Tanzpaaren den Sieg und würde beide auf ihre Art küren, wenn ich könnte.
Hoffentlich versaut es die Jury nicht durch eine merkwürdige Wertung oder komisches Gerede von Champions-League und Kreisklasse, oder dass z.B. Heinrich nicht tanzen könne – und eines der Paare fliegt schon vor dem Finale raus. Giovanni Zarrella wurde bei Let’s dance am 19.5.2017 unter Bezugnahme auf längst vergangene Sendungen auch erfolgreich herabgewürdigt und schlecht geredet- wie andere vor ihm auch schon…
Die Punkte der Jury sind im Artikel Let’s dance 2017 Statistik – Tänze, Punkte, Einschaltquoten ergänzt, wie bei allen Sendungen zuvor schon. Die Songs und Tänze von gestern finden Sie wieder im Ankündigungs-Artikel zur Show Let’s dance 2017 am 19. Mai 2017 Songs, tränen- und punktereiche Tänze.
Die Fotos sind von RTL. Es soll diese Verlinkung gelegt werden: Alle Infos zu “Let’s Dance” im Special bei RTL.de.
Alle Artikel über die RTL-Tanz-Show finden Sie unter dem Stichwort Let’s dance 2017 oder auch Let’s dance, wenn Sie sich für ältere Staffeln der Tanz-Show interessieren. Artikel allgemeinerer Natur finden Sie in unseren Kategorien TV-Shows und Tanzen im Fernsehen.
Behindertenbonus ?
ich glaube, ich hab das schon einmal wo geschrieben, da es aber hier gut dazu passt nochmal:
Heinrich hat bei der Jury ganz sicher keinen Behindertenbonus, im Gegenteil – die Herangehensweise der Let’s Dance Jury unterscheidet sich sehr von der Jury in Amerika bei DWTS oder in Italien oder Australien bei Vergleichsformaten: In diesen Ländern konnten jeweils ebenfalls mehr oder weniger stark eingeschränkte Promis das Finale erreichen (Noah Galloway, Amy Purdy, Giusi Versace,… ) die Jury hat dort die Behinderung insofern ausgeblendet, indem sie nur die Dinge bewertet hat, die der jeweilige Promi auf Grund seiner Behinderung meistern kann, nicht aber zum Beispiel Dinge, die ganz einfach für den Promi undurchführbar sind ( z.B. Heben und Senken mit der Prothese beim LaWa oder Slow, generell die Fusstechnik ).
Es bleiben noch genug Kriterien über, die man bewerten kann ( Hüftaktion, Oberlinie, Ausstrahlung, … ) sind diese sehr gut gibt’s auch gute Punkte, sind die schlecht gibt’s auch schlechte Punkte.
Die Let’s Dance Jury bewertet Heinrich seit 3-4 Sendungen generell schlechter, weil er eben bestimmte Dinge nicht machen kann, egal wie sehr er sich anstrengt – das find ich nicht okay.
Let’s Dance ist kein Turnier, es gibt a priori keine „gerechte“ Wertung, die Voraussetzungen der Teilnehmer sind zu unterschiedlich, daher sollte man bewerten, wie weit die Promis ihre vorhandenen Möglichkeiten nutzen können oder nicht. Es werden trotzdem als Gesamtpaket z.B. Gil oder Vanessa die höchsten Wertungen bekommen, weil sie eben ihre Möglichkeiten optimal nutzen, aber Heinrich generell die Fähigkeit zu tanzen abzusprechen ( im Rahmen seiner Möglichkeiten ) wie es zuletzt Herr Llambi mehr oder weniger getan hat, ist meiner Ansicht nicht okay.
Ich glaube, cavaradossi, ich habe oben im Artikel sehr deutlich meine Meinung zu diesem Thema geschrieben und auch immer wieder in den Artikeln zu den vergangenen Sendungen. Mal gefällt mir besser, was Heinrich und Kathrin tanzen, mal nicht so sehr – wie bei anderen Tanzpaaren auch und ich halte da fast nie hinterm Berg mit meiner Meinung. Schon gar nicht, wenn ich -wie gestern- unfaire Bewertungen seitens der Jury „rieche“.
Das Wort „Behindertenbonus“ kam aber, glaube ich, hier in Salsango in all den Artikeln über Let’s dance 2017 noch nie vor, auch nicht in den vielen und oft umfangreichen Kommentaren der Leser.
Hier werden sicher manchmal kontrovers, aber immer fair die Meinungen ausgetauscht. Dazu gehört auch stets die grundsätzliche Anerkennung der Leistungen der Tanzpaare – als Basis sozusagen…
Ich weiß, dass Du das weißt :-), als Stammleser…