Gefährdet die TAF künftige Tanz-Meisterschaften des Verbandes?
von: Karsten Heimberger | aktualisiert am: 17.12.2011Am vergangenen Wochenende fand in Neu-Isenburg die Deutsche Meisterschaft Salsa 2011 der TAF (The Actiondance Federation) statt. Salsango hatte über das Ergebnis berichtet. Die TAF ist die Vereinigung innerhalb des DTV (Deutscher Tanzsportverband), die sich für solche Tänze, wie eben z.B. Salsa oder Discofox verantwortlich sieht.
Als Reaktion auf unseren Bericht ist uns von mehreren Lesern berichtet worden, dass es Unstimmigkeiten in der Auslegung der Turnier-Regeln gegeben haben soll, die letztlich das Ergebnis der Meisterschaft verfälscht hätten.
Die Kritik unserer Leser bezieht sich im Wesentlichen auf 2 Punkte:
1. Die Final-Kür der späteren Deutschen Meister sei wesentlich schneller gewesen, als das TAF-Reglement es vorsieht.
2. Teilnehmer des Wettbewerbs sollen unerlaubte Figuren getanzt haben, ohne dass es zu Disqualifikationen gekommen sei, wie das Reglement es vorsieht.
Wir haben in dieser Sache natürlich recherchiert und sowohl den Verband, als auch das Meister-Paar, um eine Stellungnahme gebeten. Bevor wir dazu kommen, sollten wir uns die Regeln der TAF genauer ansehen, im Zusammenhang mit der Kritik unserer Leser:
Zur Musik
Das Reglement schreibt vor, dass die Vortragslänge im Finale 2:15 Minuten nicht überschreiten soll. Weiter heißt es In §52: „Das vorgegebene Tempo der Musik liegt zwischen 40 und 52 Takte pro Minute. Die Paare werden gebeten, Ihre Musik vor Antritt zum Turnier entsprechend auszuzählen und dem vorgeschriebenen Tempo anzupassen.“
Verantwortlich dafür, das zu überprüfen und durchzusetzen, ist lt. §107 TAF-Reglement der Supervisor des Turniers – und nicht etwa die Wertungsrichter, wie einige Leser vermuteten.
Einige Leser kritisieren nun, dass bei Einhaltung der Vortragslänge, aber schnellerer Musik (die Rede ist hier von einer erheblichen Überschreitung) das Paar wesentlich mehr Elemente und Figuren zeigen könne und zudem die Choreographie dynamischer wirken könne, als zu langsamerer, regelkonformer Musik. Das widerrum könne die Bewertung der Wertungsrichter positiv beeinflussen.
Weiter kritisieren die Leser, dass der Supervisor entweder seiner Kontrollfunktion nach §107 (siehe oben) nicht nachgekommen sei oder aber die Regelverletzung in Kauf genommen hätte – und somit vielleicht auch eine Benachteiligung jener Paare, die sich an die TAF-Regeln halten.
Weiter stellen die Leser die Frage, warum sich ein Paar mit nicht regelkonformer Musik auf diesen Wettbewerb vorbereitet, sind doch die Regeln allen bekannt und sogar im Internet einsehbar? Das Paar Periklis Kalaitzis und Kim Wojtera hat sich uns gegenüber trotz Nachfrage dazu nicht geäußert.
Übrigens sieht das TAF-Reglement auch vor (§87), dass die Ausrichter technische Einrichtungen haben müssen, die eine Geschwindigkeitsregelung ermöglichen. Der Paragraph 87 schreibt sogar einen s.g. „Beatcounter“ vor, um die Einhaltung der Regeln überprüfen zu können. Wörtlich heißt es dort: „Der Ausrichter stellt 2 CD-Player (mit Möglichkeit zum Verändern der Geschwindigkeit) … Für die Überwachung der Tempi stellt er “Beatcounter”, Stoppuhr und 1 Bedienungs-Person zur Verfügung.“
Also ist davon auszugehen, dass jede Möglichkeit bestanden hätte, die Kür der späteren Meister bereits im Vorfeld des Finales zu korrigieren!
Warum ist das nicht geschehen?
Ahndung von Regelverstößen
Die zweite Kritik wendet sich gegen die Ahndung von Verstößen. Der Supervisor hat uns gegenüber eingeräumt, dass die Wertungsrichter sowohl in den Vorrunden, als auch im Finale Regelverstöße festgestellt und im Protokoll vermerkt haben.
Auch hier ist wieder ein Blick in die TAF-Regeln nötig – und es wird zugleich eine Nachlässigkeit dort offenbar. Der §52, der die Regeln für die Salsa (Paartanz) enthält, sagt nämlich im Gegensatz zu allen anderen Tänzen dort gar nichts dazu aus, wie mit Regelverstößen umzugehen sei. Also hilft hier nur, sich an allgemeinen Wertungskriterien und denen anderer Tänze zu orientieren.
Die allgemeinen Wertungskriterien (§64) schreiben vor, dass die Wertungsrichter bei festgestellten Regelverstößen normal weiter werten, aber den Regelverstoß in Form eines „W“ im Protokoll vermerken. Dieses „W“ steht für „Verwarnung“. Von dieser Verwarnung ist das betreffende Paar vom Supervisor des Turnieres in Kenntnis zu setzen, denn bei einem nächsten Regelverstoß wird das Paar disqualifiert.
Weiter ist bei anderen Tänzen eindeutig geregelt, dass im Finale bei Regelverstoß ohne Verwarnung sofort disqualifiziert wird. So heißt es z.B. bei der Salsa Rueda: „Verstöße gegen das Reglement werden einmalig vom Supervisor verwarnt. Bei weiteren Verstößen erfolgt die Disqualifikation durch den Supervisor. Im Finale erfolgt die Disqualifikation ohne vorherige Verwarnung.“
Stellt sich also die Frage: Warum ist es nicht zu Disqualifikationen gekommen, wenn Regelverstöße festgestellt wurden?
Unerlaubte Elemente in der Kür der Deutschen Meister
Bezüglich der Kür des Siegerpaares kritisieren unsere Leser mindestens einen Regelverstoß, den wohl unmöglich alle Wertungsrichter übersehen haben können – nämlich eine unerlaubte s.g. Hebefigur gleich zu Beginn der Kür.
Hier möchten wir zu Gunsten des Siegerpaares entgegenhalten, das die Wertungsrichter auch angewiesen sind, die ersten 16 Takte der Musik nicht zu bewerten. Insofern kann es hier zwar zu einer Regelverletzung gekommen sein, die u.U. aber keinen Einfluss auf die Wertung hatte.
Die Kritik der Leser, die Wertungsrichter könnten so mittels unerlaubter, aber effektvoller Elemente zusätzlich beeindruckt sein, ist nachvollziehbar. Weil es sich bei den Wertungsrichtern aber lt. Reglement um tanzsport-erfahrene Personen handelt, kann und muss man unterstellen, dass diese sich durch derartige „Tricks“ nicht beeindrucken lassen.
Auch hier bleibt jedoch offen, warum das Paar überhaupt solche Elemente nutzt, obwohl sie doch nicht erlaubt sind.
Uns ist das noch unverständlicher vor dem Hintergrund, dass das Paar im letzten Jahr schon im Finale der Deutschen Salsa Meisterschaft wegen einem solchen Element disqualifiziert wurde.
Auswirkungen und Stellungnahme des Verbandes
Wir haben in dieser Sache direkt beim Vorstand des Verbandes nachgefragt und stehen mit diesem in Kontakt. Weil wir noch keine Freigabe der Kommentare haben und es keine abschließende offizielle Bewertung gibt, bitten wir um Euer Verständnis, dass wir bis zum Vorliegen dieser nicht aus der Korrespondenz zitieren.
Allerdings teilen wir die Meinung einiger unserer Leser, dass die Durchführung künftiger Meisterschaften erheblich belastet oder sogar gefährdet sein dürfte, wenn es hier nicht zu einer eindeutigen Klärung kommt. Das schließt eine Richtlinie ein, wie künftig mit Regelverstößen umgegangen werden soll.
Unter welchen Voraussetzungen etwa sollen sich Turnierpaare auf Meisterschaften vorbereiten, wenn die Einhaltung der Regeln nicht überwacht bzw. deren Auslegung der Tagesform der Verantwortlichen unterliegt?
Das kann auch Auswirkungen auf andere Tänze haben und so den Turnierbetrieb des TAF generell gefährden. Jedes Tanzpaar könnte sich künftig in einem strittigen Verfahren auf diese Deutsche Meisterschaft Salsa beziehen.
Das kann nicht im Interesse der TAF sein!
Unvorteilhaft in diesem Sinne ist es sicher auch, wenn der Supervisor eines solchen Turniers ein Vorstandsmitglied der TAF ist. Das TAF-Reglement sieht nämlich auch die Beschwerde der Wettbewerbsteilnehmer über die Tätigkeit des Supervisors vor. Diese muss an den Vorstand gerichtet werden. Wenn der Supervisor aber selbst Mitglied des Vorstandes ist, wäre ein Bezweifeln eines unabhängigen Verfahrens mindestens verständlich.
Weiter ist im TAF-Regelment nicht geklärt, wie dann mit einer solchen Beschwerde umgegangen wird, außer, dass der Supervisor einen Bericht verfassen soll. Nicht festgelegt ist, ob die Beschwerdeführer mit einer Antwort/Entscheidung zu rechnen haben, in welchem Zeitraum und wer darüber entscheidet. Hier in diesem Fall ja auch der Supervisor -als Vorstandsmitglied-, über den Beschwerde erhoben wird.
Eine Alternative wäre vielleicht die Einrichtung einer in jeglicher Hinsicht unabhängigen Schiedskommission? Solche haben andere Verbände und Vereinigungen auch für den Fall, dass unabhängige Entscheidungen getroffen oder strittige Fälle beraten werden müssen. Selbstverständlich natürlich, dass betroffene Mitglieder einer solchen Kommission nicht mit beraten dürften.
Eine solche Kommsission könnte die Situation sicher befrieden und Rechtssicherheit für alle Beteiligten herstellen, an der es im Moment offensichtlich mangelt.
Vielleicht gibt es in dem Verband schon so eine Kommission? Dann wäre es höchste Zeit, sie mit diesem Fall zu befassen?
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Hinweis der Redaktion: Diese Deutsche Meisterschaft Salsa 2011 in Neu-Isenburg hat nichts mit der Deutschen Salsa Meisterschaft 2011 in Ludwigsburg zu tun!
Da sieht man mal wieder was passiert, wenn das leidenschaftliche Tanzen zum Wettbewerb wird…
Wenn man das schon machen muss, dann aber richtig und fair, bitte…