Gedanken über das Tanzen von Kindern und Jugendlichen (anlässlich des Turniers in Mannheim 2012)
von: Karsten Heimberger | aktualisiert am: 27.06.2012Mannheim. Den Kindern und Jugendlichen bzw. Ihrem Tanzen sollten noch ein paar spezielle Gedanken gelten:
Beim International Dance Masters am vergangenen Wochenende waren auch einige Kinder- und jugendliche Tanzpaare am Start, obwohl in Berlin zeitgleich das große Summer Dance Festival war.
Das allerdings war ja auch ein DTV-Turnier, während in Mannheim Tänzer getanzt haben, die im BDT, DAT, WDC oder DPV organisiert sind.
Außerdem bestand die Mehrheit der Teilnehmer in Mannheim aus Gruppen von Kindern und Jugendlichen, die an den Meisterschaften im Video-Clip-Dancing / Hip Hop teilgenommen hatten.
So gab es in Mannheim eine Teilung des Interesses, wie man es häufiger erlebt.
Tanzgruppen im Video-Clip-Dancing bzw. Hip-Hop
Oben in der 2. Etage des Mannheimer Rosengartens barst der Saal fast, ob der manchmal frenetisch jubelnden Menge beim Video-Clip-Dancing – eigentlich eine Art Cheerleading ohne Hauptsportart. Man ist sich eben selbst Zweck, statt Begleit-Combo der Stars auf dem Feld zu sein.
Hip Hop macht ohnehin keinen Hehl aus der Selbstzentriertheit des eigenen Tuns. Eigentlich müsste dieser Tanz auch Breakdance heißen, denn der Begriff Hip Hop bezeichnet doch mehr eine ganze Jugendkultur mit unterschiedlichen Elementen. Darüber sollen sich jedoch die Gelehrten streiten.
So schön ich es finde, dass Kinder und Jugendliche hier eine Form der Freizeitbeschäftigung gefunden haben, die ihnen gefällt, stehe ich diesen Tanzgruppen manchmal auch skeptisch gegenüber.
Skeptisch bin ich übrigens nicht per se. Da gibt es ganz herausragende Leistungen, die beeindrucken und jeden Respekt verdient haben! Wenn man jedoch so im Land unterwegs ist, begegnet man immer wieder auch Gruppen oder Tanzschulen, bei denen man sich etwas mehr Ernsthaftigkeit und Niveau wünscht. Da hapert es manchmal an den Grundlagen oder es werden Mädchen (die sind es überwiegend) auf Bühnen geschickt, die besser noch ein paar Stunden mehr im Übungssaal verbracht hätten.
Die Theorie hinter diesen schlechteren Beispielen folgt oft einem schon älteren gesellschaftlichen Trend: Hauptsache mitmachen, mit der Leistungsgesellschaft werden die Schätzchen noch früh genug konfrontiert. Das hat dann was vom früheren Männerballett zu Karneval und das ist schade, denn um wieviel besser könnten die Sprosse tanzen, wieviel mehr Freude hätten sie daran, würden die Trainer mehr Wert auf Basis-Ausbildungen, Technik oder Fitness legen, zum Beispiel. Nicht selten fehlt es aber denen schon daran.
Damit hier kein falscher Eindruck entsteht: Es ist überhaupt nichts dagegen einzuwenden, wenn die Tanzgruppe xy sich einmal in der Woche trifft und aus Spaß an der Bewegung ein bisschen tanzt. Nur, muss man die dann auf eine Bühne stellen? Vor Eltern oder beim Gemeindefest gern.
Ganz bestimmt gilt diese Kritik nicht für die überwiegende Mehrheit der in Mannheim angetretenen Tanzgruppen. Das Wenige, was ich gesehen habe, war passabel. Also gehe ich davon aus, dass die Besten auch wirklich gut waren.
Andererseits will ich den Aktiven und Verantwortlichen in dieser Szene auch ganz bewusst zart auf die Nase stupsen und freue mich auf den Dialog hier!
Eine Beobachtung, die meiner Ansicht nach meine Kritik stützt, will ich noch schildern: Beim International Dance Masters in Mannheim waren auch die besten Tanzprofis in den Standard- und Lateinamerikanischen Tänzen zu Gast. Sogar beide Weltmeister-Paare haben das Turnier beehrt.
Während also Tanz-Profis samt Weltmeister im großen Saal des Rosengartens tanzten, belagerten Dutzende jugendlicher Video-Clip-Tänzer nicht etwa den großen Saal, wie man es erwarten sollte, sondern saßen in Gruppen bei Cola und mitgebrachten Schnittchen in den Fluren und Katakomben, schwatzten oder dengelten am mikroelektronischen Kleinspielgerät. Wahrscheinlich wussten sie nicht mal, dass die Weltbesten ihrer Zunft ein paar Meter weiter gerade um die Plätze im Halbfinale tanzten.
Zur teils gesundheitsgefährdenden Lautstärke im Video-Dancing-Saal von Mannheim hatte ich mich bereits bei meinem einleitenden Artikel über das Tanzturnier in Mannheim geäußert (siehe Link).
Kinder- und jugendliche Tanzpaare in den Standard- und Latein-Tänzen
Her- und hingerissen von ambivalenten Gefühlen war ich auch von den Leistungen einiger jugendlicher Tanzpaare im Standard- und Lateintanz, die ich so zwischen 9 und 15 schätze.
Respekt vor der tänzerischen Leistung, dem vielen Training und der Zielstrebigkeit, die dahinter steckt!
Ich weiß auch, wie viel Engagement von den Eltern verlangt wird, oft bis weit in den Erwachsenen-Tanzsport hinein:
Training, Kostüme, Turnier-Reisen.
Das kostet nicht nur unendlich Herzblut und Zeit, sondern oft das Äquivalent eines Kleinwagens oder gar mehr.
Nichteingeweihte können sich kaum ein Bild davon machen, was „Tanzsport-Eltern“ in das Hobby ihrer Kinder einbringen. Den Eltern sei deshalb an dieser Stelle auch einmal ausdrücklich gedankt!
Wenn dann so eine Teenie-„Frau“ zwischen zwei Tanzschritt-Kombinationen mit ihrer beginnenden Fraulichkeit kokettiert oder ein Teenie-„Mann“ frech in die Kamera grinst, kann einem schon das elterliche Herz aufgehen.
Oder wenn zwei „Mini-Weltmeister“ so tun, als hätten sie die letzten 30 Jahre nichts anderes getan, als auf dem Tanzparkett gestanden, findet man das schon mal putzig.
Aber: Muss ein 9- oder 10- oder 11-Jähriger mir verkaufen wollen, dass er schon drei Duellpistolen in die Mündung gesehen hat oder die Stiere vor ihm in Ehrfurcht erstarren, wenn er die Arena betritt?
Wissen die beiden Tänzer (siehe Bild links) was sie tun? Man hofft für sie und die Eltern, sie wissen es nicht!
Soll es Ziel sein, dass Kinder und Jugendliche schon so tanzen, wie es die Paare mit 20 Jahre Alters- und Erfahrungsvorsprung tun?
Kann man nicht auch als Kind und Jugendliche(r) ernsthaft Tanzsport betreiben und sich trotzdem in der Attitüde sein junges Wesen bewahren?
Älter sind sie dann später ja noch lange genug…
Das ist sicher ein schmaler Grat, denn will man im Tanzsport erfolgreich sein, muss man früh mit dem Training und auch dem Leistungmessen beginnen.
Darin unterschiedet sich der Tanzsport nicht von anderen Sportarten, vom Ballett oder der Musik!
Nur muss ein Leichtathlet nicht schon im Alter von 12 Jahren unter 10,0 sprinten, ein Tennis- oder Fußballspieler misst sich mit seinesgleichen und ein Jung-Pianist muss nicht schon das gleiche Repertoire spielen, wie Lang Lang vor 20.000 Menschen auf der Waldbühne.
Ein Paartanz dagegen hat nun einmal eine bestimmte Charakteristik. Die ist überwiegend geprägt vom erotischen Verhältnis zwischen Mann und Frau. Schwer vorstellbar, dass es den Wertungsrichtern gefiele, würden zwei 10-Jährige vertanzen, was sie wirklich für das jeweils andere Geschlecht empfinden?
Vielleicht nehmen hier auch einmal Wertungsrichter und Trainer das Wort?
Wir würden uns freuen!
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PS: Die Namen der in den Fotos gezeigten Tanzpaar sind uns leider nicht bekannt. Wir tragen das gern nach.
PPS: Die Fotos vom Videoclip-Dancing haben sich offenbar im Dschungel der Festplattenordner verirrt und sind z.Z. nicht auffindbar.