Tanzsport: Ferruggia – Köhler sagen Standard – EM 2013 Leipzig ab
von: Karsten Heimberger | aktualisiert am: 3.11.2013Tanzsport. Benedetto Ferruggia – Claudia Köhler sagen die Profi – EM Standardtänze 2013 in Leipzig ab. Das meldete der Veranstalter der Euopameisterschaft einen Tag vor Ultimo.
Der Grund dafür ist (noch) nicht sicher. Man hört, das erfolgreiche Tanzpaar fürchtet einen nichtfairen Wettbewerb, eine Vorfestlegung der Juroren auf die amtierenden Weltmeister im Profiverband der WDSF Mirko Gozzoli – Edita Daniute.
Wenn das stimmen sollte, wäre diese Entscheidung mehr als fragwürdig und zwar gleich in mehrerer Hinsicht:
Da sind zum Einen die Zuschauer, der Veranstalter, der hiesige Verband – die alle haben mit eventuellen Erkenntissen oder Befürchtungen des Tanzpaars nichts zu tun, sondern sich auf einen tollen Abend gefreut – mit einem chancenreichen und sportlich erfolgreichen einheimischen Tanzpaar. Benedetto Ferruggia und Claudia Köhler haben im Vorfeld der EM in Leipzig kräftigst die Werbetrommel für die EM gerührt…
Sicher war gerade die Teilnahme dieses Tanzpaars für einige Zuschauer der Grund, sich Tickets zu kaufen. Die dürften sich nun „betrogen“ fühlen. Dem Veranstalter, der mit Ferruggia – Köhler so sehr geworben hatte, dürfte es kaum anders gehen. Und der nationale Tanzsportverband DTV-PD hätte sicher auch gern sein „bestes Pferd“ im Rennen oder statt dessen ggf. ein anderes Tanzpaar für die Europameisterschaft nominiert.
Aus Direktor Joachim Llambi platzt es jedenfalls heraus, wie auch einem heißen, zu früh geöffneten Schnellkochtopf, als ich ihn gestern mittag – zugegeben etwas ungeschickt frage: „Was machen denn unsere Weltmeister da für Sachen?“
Sinngemäßes Gedächtnisprotokoll: „Unsere amtierenden Weltmeister Mirko Gozzoli – Edita Danuite sind heute Abend am Start und freuen sich auf einen tollen Wettbewerb. Wir sind hier bei den Profis! Erworbene Lorbeeren in anderen Verbänden erkennen wir an, aber wir vergeben unsere eigenen.“ Ich versuche schnell zu beschwichtigen, dass er doch wüsste, dass ich das weiß und auch was ich denn meine. (Fast) zwecklos: „Wir sind alle alt genug und jeder ist für sein Handeln selbst verantwortlich.„…
Zum Anderen ist es im Tanzsport bekannt, dass es „gewisse Präferenzen“ bei Juroren geben kann. Die Allermeisten erledigen ihren Job ordentlich und ohne Tadel. Aber es gibt zuweilen solche Tendenzen und Vorfestlegungen, die eigentlich nur durch Katastrophen und Unfälle erschüttert werden können. Daran zu arbeiten ist Aufgabe der Verbände. Aber das sagt sich leichter, als wirklich etwas getan ist…
So kann diese Absage des deutschen Tanzpaares das Schlaglicht auf dieses Dilemma werfen. Ob das was nützt, steht auf einem anderen Blatt.
Benedetto Ferruggia – Claudia Köhler haben in den letzten Jahren bei den Amateuren alles gewonnen, was es zu gewinnen gab. Neben dem unbestrittenen sportlichen Erfolg und der dahinter stehenden ebenso unumstrittenen sportlichen Leistung, dürften viele viele viele Tanzpaare an diesen Tanzturnieren teilgenommen haben mit dem Wissen, dass die Sieger Benedetto Ferruggia – Claudia Köhler heißen.
Insofern haben sie auch vom einmal erlangtem Ruhm profitiert – was wir ihnen aber nicht missgönnen wollen!
Trotzdem müssen sich die Beiden die Frage gefallen lassen, ob sie etwa nicht starten, wenn nicht feststeht, dass sie gewinnen?
Bei diversen Turnieren gehen sich Favoriten-Tanzpaare schon mal aus dem Weg. Da gewinnt dann das eine Tanzpaar hier, das andere woanders. Das ist auch legitim, denn es gibt so viele Tanzturniere, dass nicht jedes Paar überall starten kann. Bei Meisterschaften hingegen kann man sich nicht aus dem Weg gehen. Da kommt es meist zum Showdown.
Auch ist es nicht so, dass das Tanzen von Benedetto Ferruggia – Claudia Köhler nun so gänzlich unumstritten wäre und sie einen ersten Platz quasi automatisch verdient hätten. Das Tanzpaar ist superschnell, exakt wie kaum ein anderes. Ihr Tanzen ist sehr sportlich geprägt und sie haben das Tanzen vieler aufstrebender Tanzpaare beeinflusst. Genau das sehen aber immer wieder Leute auch kritisch, denen die Seele in den Tänzen fehlt, der künstlerische Aspekt zu kurz kommt.
Das hört man aber immer nur hinter vorgehaltener Hand und unter dem Mantel der Verschwiegenheit. Angesichts der gr0ßen und vielen sportlichen Erfolge der Stuttgarter, wagt sich da kaum einer aus der Deckung.
Das Tanzen von Mirko Gozzoli – Edita Daniute soll äußerlich wesentlich empathischer sein, hört man hier und da.
Was also bleibt? Das wird man abwarten müssen. Mehr Freunde werden sich Benedetto und Claudia damit im DTV und in der WDSF nicht gemacht haben. Aber vielleicht ergibt sich nun einmal eine umfassendere Diskussion?!
Als einen Beitrag dazu wollen wir diesen Artikel verstanden wissen. Wir wollen über Benedetto und Claudia nicht den Stab brechen – nicht grundsätzlich und im Detail schon gar nicht, ohne genaueres zu wissen. Aber eine Meinung haben wir trotzdem. Damit sind wir auch nicht allein, wissen wir nach der Veranstaltung…
Vielleicht melden sie sich ja selbst zu Wort? Wir laden das Tanzpaar herzlich ein, hier Ihre Meinung und Sicht der Dinge dazulegen (als Kommentar oder via E-Mail an redaktion@salsango.de).
Oder habt Ihr eine Meinung dazu?
Mehr aktuelle Meldungen findet ihr in unserem Tanzsport-Magazin oder ganz speziell in den Stichwörtern, die Ihr unter jedem Artikel bei uns findet.
PS: Eine Stellungnahme des Tanzpaars ist uns inzwischen avisiert, aber noch nicht eingetroffen. Dieser Artikel hier wurde schon in der Nacht von Freitag auf Samstag geschrieben, inzwischen jedoch mehrfach aktualisiert.
Europameister wurden tatsächlich – und völlig verdient – Mirko Gozzoli – Edita Daniute – siehe auch unseren Bericht von der Tanz EM Standard Leipzig 2013 mit den Ergebnissen und ersten Fotos.
Wer ein System kritisiert, von dem er selbst in der Vergangenheit mehr als nur einmal profitiert hat, macht sich mehr als nur ein klein wenig verdächtig.
Vom unsportlichen Aspekt einmal abgesehen – wer vor einer Veranstaltung eine vermeintliche Tatsache kritisiert, von der er nicht mit 100% Sicherheit sagen kann, daß sie zutrifft, stellt sich letztlich selbst ein Bein. Andersherum würde ein Schuh draus – die Meisterschaft mittanzen, sein Bestes geben, mit Anstand und Würde eventuell Zweite werden – und sich dann darüber Gedanken machen, ob gerechtfertigt oder nicht.
Von dem pikanten Detail einmal abgesehen, daß Claudia & Benedetto „gekniffen“ haben – sie waren bei weitem nicht die Einzigen! Wenn von gemeldeten 40 Paaren nur 25 starten, wirft das ein ebensolches Licht – und nicht unbedingt auf die Veranstaltung an sich allein, sondern auch die entsprechenden Paare, zumal zum überwiegenden Teil aus Italien und Schützlinge einer bestimmten „Schule“… Aber dieser Disput gehört jetzt sicher hier nicht her.
Letztlich bleibt festzuhalten, und dies ist zugleich ein Trost – auch ohne den erwarteten, spannenden Kampf um den Sieg, war es ein durchaus sehr gelungenes Turnier mit mehr als nur ansprechenden Leistungen. Und die lachenden Dritten werden sich an diesem Umstand eher weniger gestört haben. Die verpassten Chancen der Einen, sind die Triumphe der Anderen!