Fania war Salsa – der andere Blick
von: Karsten Heimberger | aktualisiert am: 27.06.2010Salsa war Fania – Fania war Salsa – auch wenn man zugeben muss, dass eine allzustarke Idealisierung dieses Plattenlabels mittlerweile so angestaubt wirkt, wie die Musik, die seinerzeit produziert wurde – wenn man sie heute hört. Und wer behauptet, Fania müsse man nun unbedingt kennen, der kann auch versuchen, jungen Leuten Beatles-Platten anzudrehen… Mindestens aber, wenn man Salsa tanzt, gehört es zum „Allgemeinwissen“, zu wissen, was Fania war. Denn Fania ist wahrscheinlich auch die Einführung des Salsa-Begriffes zuzurechen – mindestens in der breiteren Öffentlichkeit. Mit Legendenbildung muss man ja ein wenig vorsichtig sein…
Auf alle Fälle war Fania das Plattenlabel, das Salsa international bekannt gemacht hat und als Pionier in der sich verändernden Musikproduktion der 60er Jahre eine ähnliche Rolle gespielt hat, wie seinerzeit Motown sie für die Soul- und R&B-Musik spielte, aus der sich dann eine ganze eigene moderne Pop- und Tanzmusik entwickelte. Oder, wer Nashville hört, denkt an Country-Musik, weil dort das Herz dieser Musik schlug und viele legendäre Künstler „geboren“, gefördert, aufgebaut wurden. Und so ist es bei der entsprechenden Generation, wenn es um Fania geht.
Fania war also kein Phänomen, sondern reihte sich ein in eine allgemeine gesellschaftliche, wie technische Entwicklung ein.
Es änderte sich nämlich die Musikrezeption der jungen Leute, wie der gesamten Bevölkerung. Wirtschaftlich gab es international einen anhaltenden Aufschwung. Nach den Wirrnissen zweier Weltkriege ging es den Leuten wieder gut und auch Mittel- und Unterschichten der Gesellschaft profitierten davon, u.a. mit steigendem Konsum. Radio und Fernsehen – wurden zu Massenmedien. Die technischen Entwicklungen machten auch Schallplatten immer mehr zu einem alltäglichen Begleiter. Auch Zeitungen und Zeitschriften schossen überall wie Pilze aus dem Boden – und mussten täglich, wöchentlich oder monatlich mit Inhalten gefüllt werden.
Und so war es vor allem ein gelungener geschäftlicher Coup, den Jerry Masucci – das wirtschaftliche Hirn hinter Fania – landete und mit modernen Methoden, an das eben beschriebene veränderte Rezeptionsverhalten angepasst, erfolgreich machte. Aggressiv wurde quasi alles niedergebügelt, gleich gemacht, gekauft, einverlaibt, was Fania zu pass oder in die Quere kam. Dabei scheute sich Masucci auch nicht, zu außergeöhnlichen Methoden zu greifen, die heute einen Aufschrei in der Medienlandschaft zur Folge hätten. Fania agierte als eine Art „Pate“ – omnipräsent -, wie man sie aus dieser Zeit häufiger kennt – Vater Jackson z.B. oder Ike Turner in ihren Bereichen.
Ich schreibe das, weil Fania häufig glorifiziert wird und auch mal Licht auf andere Aspekte des Labels werfen möchte. Bei allen Verdiensten, die ich Fania niemals absprechen möchte, war Fania nicht der „Robin Hood“ der Latinos, sondern knallhartes Geschäft und Geschäftssinn, der auf fruchtbare gesellschaftliche, wirtschaftliche und technische Bedingungen traf.
Zugleich war Fania auch Teil einer allgemeinen Bewegung in den USA und später in anderen lateinamerikanische Ländern, in der die bestimmte Bevölkerungsgruppen sich auflehnten und mit einem neuen Selbstbewusstsein in die Welt gingen und dieser ihre Interessen mitteilte. Vielleicht kann man die Wahl eines Obama als einen gewissen Abschluss, oder eine Art „Krönung“ dieser Bewegung ansehen. Black Power, Martin Luther King oder sogar Kennedy sind weitere Schlagworte, die diese Zeit bezeichnen. Aktuell muss man in Anbetracht der Fußball-WM in Südafrika sicher auch Nelson Mandela nennen.
Fania hat sie alle – die großen Künstler der Salsa-Musik: Hector Lavoe, Willie Colon, Celia Cruz, Oscar d’Leon, Johnny Pacheco, Ray Barretto, Ismael Rivera und viele weitere. Bekannt sind auch die s.g. Fania All Stars, die schon früh einige der besten Musiker von Zeit zu Zeit zusammenführte, Platten aufnahmen und Konzerte gaben – was später in der Popkultur immer wieder stattfand, z.B. zu Benefiz-Zwecken schon fast regelmäßig.
Weil es in der taz einen sehr interessanten über Fania gibt, möchten wir auf diesen verweisen für alle die, die sich ausführlicher für das Plattenlabel interessieren (Link folgen).
Einen sehr schönen Einblick in die Fania-Produktionen gibt unsere aktueller Salsa-Musik-Tipp mit gleich 4 CD’s, sämtlichst aus der Fania-Schmiede und jenseits üblicher Hit-Compilations.
Fania gibt es auch immer noch. Wer aber die Fania-Webseite besucht, wird feststellen, dass Fania seine beste Zeit lange hinter sich hat.